Blick über Weinberge auf den Rhein

Hessische Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation

Bewirtschaftung für die Winzer erleichtert – Erholungswert für die Bevölkerung deutlich gesteigert

Die Flurbereinigung in den Lorcher Weinbergen ist abgeschlossen.

Der staatlich anerkannte Erholungsort Lorch, erstmalig erwähnt im Jahr 1085, liegt malerisch an den südwestlichen Hängen des Taunusgebirges. Die Landschaft rund um Lorch ist geprägt vom Steillagenweinbau, tiefen Tälern und üppigen Wäldern. Doch viele Flächen, insbesondere in den Weinbergslagen, bestanden aus vielen, teilweise nur wenige Meter breiten Parzellen, wodurch die Bearbeitung erschwert wurde. Dies führte dazu, dass Flächen aufgegeben wurden und verbuschten. Daher wurde beschlossen, die Flurstücke im Lorcher Außenbereich, vornehmlich in den Weinbergslagen Schlossberg und Kapellenberg, neu zu ordnen. Die Stärkung des Weinbaus und die Offenhaltung von Brachflächen sind aktive Maßnahmen der Flurbereinigung und dienen der Erhaltung der Kulturlandschaft Rheingau im Bereich des UNESCO Welterbe Mittelrheintal.

Was ist passiert?

Das Flurbereinigungsverfahren Lorch wurde durch den Flurbereinigungsbeschluss vom 07. September 1990 durch das damalige Landesamt für Ernährung, Landwirtschaft und Landentwicklung in Wiesbaden angeordnet. Hierbei handelte es sich um eine Zweitflurbereinigung. Kurz nach dem zweiten Weltkrieg wurde hier bereits schon einmal eine Flurbereinigung durchgeführt. Grundlage für die neuerliche Anordnung eines Flurbereinigungsverfahrens waren Voruntersuchungen, welche zeigten, dass die Bewirtschaftung der Weinberge einen relativ hohen Zeit- und Kostenaufwand erforderte. Um eine Verbesserung herbeizuführen, wurden umfangreiche Maßnahmen, wie

  • Verbesserung der weinbaulichen Betriebs- und Eigentumsstruktur durch Zusammenlegung und Umwandlung von Seilzug- in Direktzuglagen oder Querterrassen
  • Verbesserung der Erschließung der Weinberge durch Schaffung von Querverbindungen, durch Verbreiterung vorhandener Wege, durch Änderung von Wegeführungen und durch Wegebefestigung zur Erhöhung der Standfestigkeit
  • wasserwirtschaftliche Maßnahmen zur Vermeidung von Erosions- und Wasserschäden in den Weinbergen und der Ortslage
  • Erhaltung der Kulturlandschaft und Sicherung der Betriebsexistenzen durch Schaffung von Querterrassen am Sesselberg
  • Verringerung von Wildschäden durch Errichtung eines neuen Wildschutzzaunes
  • Erhaltung und Förderung der Flora und Fauna

geplant und umgesetzt.

Die Weinbergslagen in Lorch zeichnen sich durch steile Hanglagen aus. Die Flächen haben eine Neigung von bis zu 40 %. So ist die Bewirtschaftung dort nicht nur sehr aufwendig und schwierig, sondern auch die Bodenerosion stellt ein Problem dar. Im Rahmen der Flurbereinigung wurden Querterrassen als Pilotprojekt angelegt, um diese Probleme in den Steillagen zu bewältigen. Dies fand ein hohes Interesse sowie eine große Akzeptanz und dient seither als ein erfolgreiches Beispiel für die Bewirtschaftung von Steillagen in Querterrassierung.

Durch die klimatischen Verhältnisse sind im Verfahrensgebiet verschiedene wärmeliebende Pflanzen- und Tierarten beheimatet. Mit der zunehmenden Verbuschung fehlte die Wachstums- bzw. Lebensgrundlage welches ein Aussterben dieser Arten verursachte. Um dem entgegenzuwirken, wurden zur Vernetzung der Biotope Freiflächen in den Weinbergslagen ausgewiesen, Obstbaumwiesen im Bereich zwischen Weinbergen und Wald geschaffen, sowie im Rahmen des Projekts „Eisersgrub“ der Einsatz von Ziegen zur Beweidung beschlossen. Darüber hinaus bietet das dichte Netz an Trockenmauern einen Lebensraum für die wärmeliebende Flora und Fauna.

Auch der im Verfahrensgebiet teilweise verlaufende historische Kaufmannsweg, befand sich in keinem guten Zustand. Über diesen Weg wurden bis zur Schiffbarmachung des gefürchteten „Binger Lochs“ sämtliche Waren über die Rheinhöhen nach Rüdesheim transportiert. Dieser landschaftlich reizvolle Weg wies viele Mauerstrukturen auf, doch war er in Teilabschnitten stark zugewachsen und beschädigt. Durch die Initiative des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft, der Stadt Lorch sowie der Mitarbeit des Forstamtes Rüdesheim konnte der Weg wieder freigelegt werden. Heute wird er gerne als Wanderweg genutzt.

Ein paar Daten und Fakten

Das ursprüngliche Verfahrensgebiet betrug ca. 232 ha. Das Verfahren gliederte sich in fünf Teilgebiete, wovon vier überwiegend weinbaulich genutzt werden. Das fünfte Teilgebiet beinhaltet Wald- sowie aufgegebene Weinbergsflächen. Durch Änderungsbeschlüsse wurden Grundstücke sowohl zum Verfahrensgebiet hinzugezogen als auch ausgeschlossen. Das Verfahrensgebiet verkleinerte sich nunmehr auf rund 116 ha. Die Neugestaltung der Flächen erfolgte auf Grundlage des im Jahr 1995 genehmigten Wege- und Gewässerplanes mit landschaftspflegerischem Begleitplan, welcher in den Jahren 1997-2014 noch vier Änderungen durchlief. Insgesamt 450 Grundstückseigentümer waren an dem Verfahren beteiligt, in dessen Verlauf 1164 Flurstücke neu geordnet wurden. Die Feststellung der Wertermittlungsergebnisse erfolgte im Jahr 2002, die vorläufige Besitzeinweisung im Jahr 2010. Es wurden rund 770 neue Flurstücke ausgewiesen. Bekanntgegeben wurde der Flurbereinigungsplan 2020, dem noch ein Nachtrag im Jahr 2022 folgte. Der Eigentumsübergang erfolgte am 15.03.2023, gleichzeitig erfolgte die Berichtigung des Liegenschaftskatasters. Die Eintragung der neuen Grundstücke in das Grundbuch erfolgte 2024. Mit der Schlussfeststellung wurde das Verfahren am 06.11.2024 abgeschlossen.

Wer finanziert die Flurbereinigung?

In einem Flurbereinigungsverfahren fallen Verfahrens- und Ausführungskosten an. Unter den Ausführungskosten versteht man die Aufwendungen für z.B. den Wege- und Gewässerbau oder auch Landschaftspflegemaßnahmen. Die öffentliche Hand bezuschusste die Ausführungskosten im Verfahren mit Mitteln der Europäischen Union, des Bundes und des Landes Hessen durch Bezuschussung der Teilnehmergemeinschaft in einem Umfang von etwa 2,7 Millionen Euro. Die Eigenleistung in Höhe von etwa 680.000,00 € wurde von der Stadt Lorch und der Teilnehmergemeinschaft übernommen. In dem Verfahren sind Ausführungskosten mit einem Volumen von 4,2 Millionen Euro umgesetzt worden. Die Verfahrenskosten beinhalten die Kosten für Personal und Sachmittel, die der Verwaltung bei der Bearbeitung eines Flurbereinigungsverfahrens entstehen, und wurden in voller Höhe vom Land Hessen getragen.

Daten und Fakten

Verfahrensfläche: 116 ha
Davon weinbaulich genutzte Flächen: 90 ha
Beteiligte Grundstückseigentümer: ca. 450
Anzahl der Flurstücke
Vorher: 1164
Nachher: 768

Interview zum Pressebericht:

Abschließend sprachen wir mit Herrn Laquai, dem aktuellen Vorsitzenden des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft, welche Vorteile die Flurbereinigung aus seiner Sicht mit sich brachte, aber auch Kritik wurde geübt.

Frage: Herr Laquai, wie würden Sie beurteilen, ist es gelungen, die Bedürfnisse der Winzer, aber auch der erholungssuchenden Bevölkerung, unter einen Hut zu bringen?

„Für die Winzer wurde durch die Flächenarrondierung und durch die Maßnahmen, die dazu dienten, den Direktzug mit dem Traktor zu ermöglichen, die Situation so verbessert, dass die Weinberge gehalten werden konnten und auch bereits brach gefallene Weinberge wieder bestockt wurden. Gleichzeitig wurde die Verbesserung in die Wasserführung der Wege und dem Aus- und Neubau der Vorfluter nebst Rückhaltebecken so optimiert, dass bei Unwettern die Wohnbebauung geschützt ist. Zudem ist der Erholungswert des Gebietes für die Bevölkerung deutlich gestiegen und das wird auch angenommen.

Frage: Können Sie und Ihre Kollegen feststellen, dass der im Rahmen des Verfahrens errichtete Wildschutzzaunes zureichend vor Verbiss schützt?

„Der Schutz im Lorcher Schlossberg und Kapellenberg, also dem Verfahrensgebiet, ist durch den Zaunneubau so verbessert worden, dass seitdem keine Wildschäden mehr zu verzeichnen sind. Weder durch Rehe noch durch Wildschweine. Insgesamt beispielhaft auch für Kollegen aus anderen hessischen Weinbaugemeinden und darüber hinaus. Gerade derzeit durch die Probleme mit der Afrikanischen Schweinepest zeigt sich der Vorteil. Die Investition hat sich mehr als bezahlt gemacht! Heutige Aufwendungen für die Eindämmung dieser Krankheit sind erheblich teurer!“

Frage: Würden Sie sagen, dass sich das Verfahren für die Landschaft um Lorch, die Bewirtschaftenden und die Bürger gelohnt hat?

„Ja durchaus, wenngleich durch die lange Dauer auch Probleme entstanden sind, die eigentlich vermeidbar sind. Immer wieder muss man das Verfahren erklären, Mitglieder sterben, nachfolgende Generationen sind nicht informiert und haben andere Vorstellungen als die Vorgängergeneration usw. Auch die Gremien der Stadt mussten immer wieder „eingenordet“ und von den Vorteilen für die Bürger neu überzeugt werden.“

Frage: Sie haben sich von Beginn an im Vorstand der Teilnehmergemeinschaft engagiert. Wie haben Sie den Umgang mit der Flurbereinigungsbehörde erlebt? Was können Sie Teilnehmern anderer Flurbereinigungsverfahren, die noch am Anfang stehen, empfehlen?

„Meine Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Flurbereinigungsbehörde war immer gut und von gegenseitigem Respekt geprägt. Auch in den schwierigen Phasen! Der häufige Wechsel der Sachbearbeiter und Verfahrensleiter war allerdings herausfordernd für beide Seiten. Viel persönliches Engagement war ebenfalls nötig, um möglichst viel umsetzen zu können. Die Arbeit, die an den Vorstand gestellt wird, ist um einiges höher als manche bei der Wahl erwarten. Aber letztendlich ist es ja im Sinne der Winzer selbst, dass die Verfahren gut laufen. Dies war mein Ansporn, das Verfahren hat mich mein gesamtes Berufsleben begleitet, es ist auch zum Ende hin nun etwas Wehmut dabei!“

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